Reisealltag
Ein guter Tag beginnt ja bekanntlich bereits nachts. Deshalb von vorne: An ruhigen Plätzen schlafen wir wie die Murmeltiere durch. Wenn es aber zu windig wird, flattern die Planen des Dachzelts. Dieses nervige Geräusch können wir nicht ausstehen, was uns zwingt, das Nachtlager ins "Untergeschoss" zu zügeln. In Afrika, wo es nachts fast immer windstill war, hat uns dagegen die Malariaprophylaxe Malarone manchmal etwas Schlaf geraubt und über 3000 M.ü.M in den Anden spürten wir die Höhe und waren regelmässig um 3 Uhr nachts hellwach. Wenn wir inmitten von Städten campieren, was eher selten vorkommt, leisten uns Ohropax gute Dienste. Rein damit und schlafen.
Ausgeschlafen wird selten. Fast immer weckt uns der Wecker. Normalerweise stehen wir zum Sonnenaufgang auf. In Afrika manchmal auch früher, damit wir zum Sonnenaufgang bereits in den Nationalparks auf Pirsch sind. Wegen Platzmangels stehen wir nacheinander auf. Ans Anziehen der kalten (Altiplano) oder feuchten (Tropen) Kleider haben wir uns gewöhnt. Mit teilweise eisig kaltem, teils angenehm warmen Wasser wird das Gesicht gewaschen, danach die Linsen und Brillen montiert und die trockenen Stauden ums Auto herum gepflegt.
Je nach Region gibt es einen mehr oder weniger grossen Pillen-Koktail zum Frühstück: Malaria-Prophylaxe und gleichzeitig eine Tablette für die Leber (nicht weil wir zu viel Alkohol trinken!) oder einfach eine Vitamin-Tablette, weil uns die Frischwaren ausgegangen sind. Das Frühstück passen wir der Region an. Mancherorts gibt's gesunde Früchte und Käse, anderswo gutes Brot und Aufstriche und dort wo es weder noch gibt, versuchen wir das fetthaltigste Joghurt mit möglichst natürlichem Müesli zu finden. Nicht immer eine einfache Aufgabe.
Da im Auto immer recht gute Ordnung herscht, ist am Morgen schnell aufgeräumt. Während der eine das Dach zugeklappt und kontrolliert, dass nirgens der Zeltstoff eingeklemmt ist, demontiert der andere den Sichtschutz in der Führerkabine, startet den Navi-Computer und GPS-Logger.
Wohin wir fahren, entscheiden wir oft am Vorabend, manchmal aber auch erst kurz vor der Abfahrt und selten, nachdem wir die ersten Meter ziellos in der Gegend herumgekurvt sind. Falls es uns zu kalt ist oder die Fenster mit Kondenswasser beschlagen sind und es deshalb ungemütlich ist, fahren wir vor dem Frühstück einige Kilometer um mit Heizung und Klimaanlage ein angenehmes Klima zu schaffen. Erstaunlich wie gute Dienste die Klimaanlage als Entfeuchter auch in kühleren Gegenden leistet.
Normalerweise fährt Ueli, während Kathrin sich um die Navigation und das Bordprogramm kümmert. Dazu zählt zum einen die Aufgabe des DJs, zum anderen das Lesen von Reiseführern und unserer Offline-Wikipedia. Schon so oft waren wir froh, konnten wir unterwegs im Lexikon zu diesem und jenen kurz etwas nachlesen. Wenn weite Distanzen gefahren werden müssen, hören wir oft Musik, einen Querschnitt durch die Musikgeschichte. Manchmal schauen wir auch bei Blogs anderer Reisenden hinein, um Tipps zur Weiterreise zu erhalten.
Meistens holt uns vor dem Mittag der Hunger ein, den wir mit Salznüssli nochmals vertreiben. Um diese Zeit ist auch der erste Liter Wasser getrunken, welches immer parat zwischen unseren Sitzen steht. Gerade in trockenen Wüsten trinken wir locker vier Liter Wasser pro Tag und Person. Zum Glück haben wir einen grossen Wassertank und eine Wasseraufbereitungsanlage, so dass wir jederzeit genügend kostbares Nass dabei haben.
Das Mittagessen geniessen wir je nach Wetter im Auto sitzend oder neben dem Auto stehend. Oft gibt es nur Kleinigkeiten: Cracker, Käse, Fleisch, Eingemachtes und frisches Gemüse. Nicht überall ist es gleich einfach an diese Nahrungsmittel zu kommen. Während man beispielsweise in Uruguay die leckersten Picadas kriegt, wird es in Ostafrika schon schwieriger einen geniessbaren Käse oder Trockenfleisch zu finden. Interessanterweise konnten wir bis auf das nördliche Südamerika immer sehr leckere Cracker finden, die uns als Ersatz für das Brot, welches ja vielerorts ungeniessbar ist, dienen. Getrunken wird auch zum Essen meist Wasser, selten Coca Cola oder ein anderes Süssgetränk.
Auch bei alltäglichen Erledigungen haben sich Arbeitsteilungen eingebürgert. So hütet Kathrin das Auto, während ich die Einkäufe mache. Besonders in Afrika und Südamerika wollten wir das Auto nicht unbewacht auf grossen Parkplätzen stehen lassen. Tanken ist bei uns eher Frauensache. Für die Statistik wird immer der aktuelle Kilometerstand, die getankte Menge und der Preis in einer Tabelle notiert. Auch für alle anderen Ausgaben führen wir eine akribische Buchhaltung. Irgendwie muss man sich ja geistig fit halten.
Erstaunlich einfach funktioniert der Bargeldbezug. Mit unserer DKB VISA Karte kriegen wir spesenfrei Bargeld. Je nach Land gibt es unsinnig kleine Limiten, die man mit mehreren aufeinanderfolgenden Bezügen leicht umgehen kann. Leidiglich in den USA und Mexiko verrechnen fast alle Banken eine Gebühr für Bezüge mit Karten fremder Banken.
Navigiert wird ohne Papierkarten. Auf unserem Bordcomputer befindet sich unterschiedliches Kartenmaterial. Die elektronischen Karten von Reise-Know-How bieten eine gute topografische Übersicht, während auf OpenStreetMap fast jede noch so kleine Piste eingezeichnet ist. Für die Strassennavigation in den Städten sind die TomTom-Karten nützlich. In Afrika unverzichtbar sind die Vektor-Karten von Tracks4Africa. Da wir die Navi-Tussi stummgeschaltet haben, sind wir selbst verantwortlich, den Abzweiger zu erwischen. Wir verfahren uns überraschend selten.
Da unsere Tage meist sehr ausgefüllt sind, machen wir uns nicht vor 16 Uhr auf die Suche nach einem Übernachtungsplatz. An langen Sommertagen sind wir manchmal bis Abends unterwegs und geniessen die Fahrt im Abendlicht. An kürzeren Wintertagen müssen wir uns bereits früher auf die Suche nach einer Schlafmöglichkeit machen, da die Sonne bereits am späten Nachmittag untergeht. Und es gibt für uns nichts Mühsameres, als im Dunkeln einen Platz für die Nacht zu suchen.
Wenn es um die Suche von Übernachtungsplätzen geht, haben wir verschiedene Strategien entwickelt. In wenig besiedelten Gebieten wie in Afrika, im Altiplano oder im Südwesten der USA suchen wir uns einfach den schönsten Platz in der Natur. Wenn es dichter besiedelt ist oder es die Sicherheitslage erfordert, suchen wir bewährte Campingplätze. Dafür sie die Daten von OpenStreetMap, Tracks4Africa oder besonders in Südamerika auch von iOverlander willkommen. Als Notnagel gibt es vor allem in Nordamerika immer mal wieder einen Walmart mit grossem Parkplatz oder wir parken in einem ruhigen Wohnquartier und schlafen ganz unauffällig im Untergeschoss (unseres Autos, natürlich!).
Bei der Ankunft am Schlafplatz machen wir zuerst immer ein Foto von Lars und der Umgebung, mittlerweile eine Sammlung mehrerer hundert Bilder. Lediglich zweimal haben wir vergessen, das Foto zu machen. Anschliessend werden Koordinaten, Höhe über Meer und gefahrene Tageskilometer erfasst. Ebenfalls Material für lustige Statistiken.
Den Feierabend geniessen wir gerne mit einem Cider oder Bier und Naschereien draussen in der Sonne sitzend. Während dies in Afrika fast Alltag war, war es im Altiplano und im Winter Nordamerikas eher Wunschvorstellung. Zu kühl und windig war es, sobald sich die Sonne dem Horizont entgegen neigt. Oftmals kochen wir mit den letzten Sonnenstrahlen ein warmes Abendessen. Da wir unseren Benzinkocher nicht im Autoinnern benutzen wollen, versuchen wir auch bei noch so ungemütlichem Wetter draussen zu kochen. Während Kathrin draussen den Elementen ausgesetzt ist und den manchmal etwas störrischen Kocher bedient, geht Ueli dem Innendienst nach: Nahrungsmittel zusammensuchen, Geschirr parat legen und Ordnung behalten. Zum Essen gönnen wir uns hin und wieder gerne ein Glas Wein aus unserem Weinkeller, dessen Temperatur gerne zwischen 0°C und 40°C schwankt.
Den Abend verbringen wir oftmals mit Büroarbeiten. Kathrin schreibt das Tagebuch, während ich die Fotos von den Kameras auf den Computer lade und aussortiere. Wenn es die Umwelt erlaubt, sitzen wir bei einem Lagerfeuer draussen in der Natur und schützen uns mit Gin Tonic vor den Mücken.
Am nächsten Tag geht das Ganze wieder von vorne los. Nur selten bleiben wir zwei Nächte am gleichen Ort. Voller Tatendrang reisen wir vorwärts um Neues zu entdecken. Nur wenn viel Wäsche oder Unterhaltsarbeiten am Auto anstehen oder wenn der Übernachtungsplatz einfach zu schön ist, um die Zelte schon wieder abzubrechen, bleiben wir eine weitere Nacht. Sehr oft gibt es ja mindestens etwas, was nicht perfekt ist: Kein Schatten, zu viel Schatten, schwül, zu viel Wind, zu laut, ... Aber es gibt sie auch, die perfekten Plätze in wunderbarer Natur, wo man gerne etwas verweilt, bis die Vorräte ausgehen oder das Wasser aufgebraucht ist und man wieder zurück in die Zivilisation muss, um mit Internet die Weiterreise zu planen.