Feuerland
Atlantikküste
Seen und Berge
28.01.2015 - Feuerland! Was für ein Begriff, was für Emotionen! Während uns die tiefen Temperaturen definitiv daran erinnern, dass wir nicht mehr in Afrika sind, geniessen wir die wilden und ursprünglichen Landschaften abseits der vielbefahrenen Routen. Feuerland ist definitiv einen Besuch wert!
"Feuerland" ruft bei uns ein Gefühl der Ferne und der Wildnis hervor. Wir können uns zwar kaum etwas darunter vorstellen, aber faszinieren tut es uns trotzdem. Feuerland gehört zu Patagonien, der rauen und windgepeitschten südlichen Landschaft in Argentinien und Chile. Vor etwas mehr als 100 Jahren kamen die ersten weissen Siedler auf diese grösste Insel südlich des patagonischen Festlandes. Die ansässigen indigenen Völker wurden zuerst missioniert und studiert, dann vertrieben und sie starben schliesslich den Tod der meisten indigenen Völker Südamerikas: Hunger, eingeschleppte Krankheiten, Elend. Heute lebt noch eine einzige reine indigene Frau auf Feuerland. Sie ist über 90 Jahre alt.
Statt indigenen Völker befinden sich hier heute Estancias von europäischen Siedlern, die mit Schafzucht oder Tourismus ihr Geld verdienen. Das Land gibt wenig her. Auch dann, wenn der ursprüngliche, alte Wald abgeholzt und die Erde dem unaufhörlichen Wind preisgegeben wird. Aber noch immer gibt es ursprüngliche Landschaften. Sie sind zwar menschenleer, aber es gibt sie...
Die Insel ist zweigeteilt. Argentinien und Chile teilen sich die Insel zu ungleichen Teilen. Während im argentinischen, kleineren Teil über 100'000 Menschen leben – hierher gelockt durch steuerliche Begünstigungen – haben etwa 8'000 Menschen etwa 60% des chilenischen Lands zur Verfügung. Unser Besuch auf der Insel beginnt an der Magellanstrasse im chilenischen Teil.
Ölfelder und Estancias dominieren das Landschaftsbild im Norden von Feuerland. "Donkies" pumpen in immer wiederkehrender Bewegung das Rohöl an die Oberfläche. Ein eisiger Wind bläst uns um die Ohren und Regentropfen scheinen vergessen zu haben, wo oben und wo unten ist. Die Wolken fliegen über das einsame Land. Eine Schotterpiste bringt uns so schnell es ihr möglich ist an den Grenzübergang in San Sebastián. Wir sind hier nicht die einzigen und warten zwei Stunden im eisigen Wind in ordentlicher Kolonne auf die Abfertigung. Chile ist hier nicht an einer effizienten Abfertigung interessiert. Die Grenzgänger sind die Leidtragenden. Denn einen direkten Übergang vom argentinischen Festland zum argentinischen Teil der Insel gibt es nicht.
In Rio Grande kaufen wir nach, was uns die Nahrungsmittelkontrolle eingangs Chile abgenommen hat. Frisches Gemüse, Früchte, Fleisch und Käse müssen her. Ausserhalb der Stadt treffen wir die ersten Overlander. Mit Iris und Stefan verbringen wir einen tollen Abend im gemütlichen, windgeschützten Azalaï-Aufbau. Was haben die beiden Platz in ihrem Fahrzeug. Super!
Am nächsten Morgen fahren wir nach Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt. Dazu müssen wir den Garibaldi-Pass überwinden, der immerhin gut 400 Meter über Meer liegt. Das Wetter ist noch immer gegen uns: Es schneit! Und das mitten im Sommer! Natürlich muss ein Beweisfoto her! Seht selbst!
In Ushuaia ist das Wetter freundlicher. Der Wind hört auf zu wehen und die Sonne zeigt sich immer wieder. Dann wird es freundlich warm. Wir überlegen uns kurz, einen Abstecher in die Antarktis zu unternehmen. Die horrenden Preise auch für Last-Minute-Angebote schrecken uns aber ab. Das muss nicht sein. Auf dem Camping Rio Pipo mit holzgeheiztem Aufenthaltsraum quartieren wir uns ein. Ein Kummer für das Camperherz, dass der nette Ort Ende Februar für immer schliessen wird. Zu kurz ist die Saison, zu gross der Aufwand, zu schlecht bezahlt. Die Camping-Alternativen sind spärlich gestreut – und nicht in der Stadt.
Bei Sergio also warten wir auf besseres Wetter und erledigen einiges an Bürokram. Eine Wanderung zum Marcial Gletscher oberhalb von Ushuaia sowie einige kurze Spaziergänge im nahen Nationalpark "Tierra del Fuego" bringen uns die Natur um Ushuaia näher. Das Wetter ist durchzogen, mal sonnig, mal windig, mal bewölkt, mal regnerisch. Eines ist es immer: kalt.
Als wir uns endlich von Sergios warmem Aufenthaltsraum trennen können, fahren wir auf der "Ruta J" dem Beagle-Kanal entlang zum – nach unseren Recherchen – südlichsten Punkt der Welt, den man fahrend auf öffentlichen Strassen erreichen kann, bei der Estancia Moat. Der Wind pfeift uns unerhört um die Ohren und wir machen den Aufenthalt kurz. Auf dem Rückweg statten wir der Estancia Harberton einen Besuch ab, der ersten Farm auf Feuerland. Die Studenten zeigen uns das kleine Museum mit seltenen Skeletten von Meeressäugern in einer Privattour und auch zur Geschichte der Estancia gibt es eine informative Führung. Man ist hier auf Touristen eingestellt und macht das auf sehr sympathische Art. Entlang des Beagle-Kanals stehen auch einige der berühmten patagonischen Bäumen, bei denen die Krone weit weg vom Stamm geweht zu werden scheint. Es ist eine windige Ecke hier!
Auf dem Weg zum kleinen Grenzübergang "Bella Vista" fahren wir das halbe Strassenalphabet von Feuerland ab. Ruta H, F, E, B und dazwischen versuchen wir eine unklassifizierte Abkürzung zu nehmen. Keine gute Idee, wie sich bald herausstellt. Erst passieren wir ein nicht verschlossenes Gate zu einer Estancia, dann folgen wir unserem GPS einer noch anständig guten Piste. Bald schon wird sie aber schlechter und schlechter. Die Bäume kratzen am Lack, Äste knallen in die Front, aus der Piste wird ein Fahrweg, dann ist sie fast nicht mehr zu sehen. Schliesslich müssen drei kleine Bächlein überquert werden, die vor langer Zeit mit einer Holzkonstruktion überbrückt wurden. Heute sind die Äste und Stämme morsch und liegen teilweise verstreut um die Bächlein herum. Kein Grund, sie nicht zu passieren! Wir flicken wo nötig und verstärken mit unseren Sandblechen. Wir kommen durch und packen alles wieder zusammen. 100 Meter nach dieser Passage stehen wir vor einem versperrten Viehgatter. Kein Weiterkommen, wie uns auch ein zufällig anwesender Gaucho zu verstehen gibt. Auf der nächsten Estancia würden noch mehr versperrte Viehzäune folgen. Also bleibt uns nichts übrig, als die mühsamen Kilometer wieder zurückzufahren, inklusive erneutem Brückenbauen... Auch wenn die Tour für die Katz war, uns hat's gefallen! Eine willkommene Abwechslung zum südamerikanischen Teer- und Schotterstrassen-Alltag.
Über einen grösseren Umweg erreichen wir die Grenzstation Bella Vista doch noch am selben Tag und werden gleich abgefertigt. Nebst zwei Velofahrern sind wir heute die einzigen Grenzgänger. Im Gemeinschaftsraum läuft eine Seifenoper, die die Beamten von der Arbeit ablenkt. Trotzdem werden unsere Papiere korrekt gestempelt und gehandhabt. Zwischen dem argentinischen und dem chilenischen Grenzposten müssen wir einen Fluss durchqueren. Eine Brücke gibt es nicht. In Chile ist die Abfertigung ähnlich familiär. Der Sohn des Immigrationsbeamten darf unsere Pässe stempeln, seine Kollegin durchsucht mit uns das Auto nach unerlaubten Nahrungsmitteln. Sie ist sehr neugierig und will fast alles sehen. Schliesslich müssen wir eine Kartoffel abgeben, obwohl wir uns nicht sicher sind, ob sie bei den Kichererbsen ein Auge zugedrückt hat. Die nächste Beamtin "desinfiziert" die Räder und Kotflügel von Lars und stattet letzteren mit einem Kleber aus, der diese Aktion bestätigt. Die nahende Nacht verbringen wir an einer windgeschützten Stelle am windgepeitschten Lago Blanco in Chile!
Es soll da so eine Strasse geben...
Am nächsten Tag folgen wir der Y-85 nach Süden. Das Wetter zeigt sich von der Schoggiseite: Die Sonne scheint von einem fast wolkenlosen Himmel, während wir über die Landschaften der wenigen chilenischen Estancias rauschen. Seit einiger Zeit wird hier an einer Strasse gebaut. Sie soll dereinst von der Estancia Vicuña bis hinunter an die Bucht Yendegaia führen und wird vom chilenischen Militär gebaut. Es dürfte sich um ein geopolitisches Projekt handeln um Chiles Anspruch auf seinen Teil von Feuerland zu festigen, obwohl auf dieser Seite extrem wenig Menschen leben. Uns ist das einerlei, denn die Strasse bringt uns bereits zu diesem Zeitpunkt weit hinein in das unbekannte Land im südlichen Feuerland.
Nachdem wir das karge Weideland der wenigen Estancias hinter uns gelassen haben, überqueren wir eine erste Bergkette. Wir gelangen auf über 600 Meter über Meer und geniessen von dort eine grandiose Aussicht auf das darunter liegende Seental mit Biberteichen und die dahinter liegende nächste Bergkette. Ausser ein paar Guanacos sind wir ganz alleine. Grandios! Wir durchqueren dieses verlassenen Tal und bezwingen auch die nächste Bergkette. Hier wird das Panorama noch eindrücklicher: Hinter dem schmalen, tiefblauen Lago Fagnago erheben sich die schneebedeckten Berge der Darwin-Kordillere. Mehrere Serpentinen bringen uns zum See hinunter. Die Aussichten sind immer wieder atemberaubend. Eine wunderschöne Gegend von Feuerland – und eine ursprüngliche.
Da die Strasse noch nicht fertiggestellt ist, fahren wir lediglich zur Estancia Caleta Maria, die in einer windgepeitschten Bucht umrahmt von Gletscherbergen und tiefblauem Meer liegt. Ausgerechnet hier, am gefühlten Ende der Welt, steigt unser Navigationscomputer aus. Sicherungen durchgebrannt. Wir tauschen die Sicherungen und wissen, dass wir demnächst etwas deswegen unternehmen müssen. Am Übernachtungsplatz zurück am Lago Deseado, gehen wir das Problem an. Wir entdecken eine durchgescheuerte Stelle an einem der vielen Kabel. Der Defekt ist rasch geflickt, jetzt sollte die Sache halten bis wir wieder zuhause sind.
Am nächsten Tag fahren wir zurück zur Estancia Vicuña und immer weiter nach Nordwesten an die Bahía Inútil. Im wolkenlosen Himmel leuchtet sie tiefblau, das Grasland, das sie umgibt ist zumeist ausgedorrt und scheint nicht viel Viehwirtschaft zu unterhalten.
Ein nächstes Highlight steht an: Der Besuch einer Kolonie von Königspinguinen, die sich hier seit einiger Zeit installiert hat und bestens zu gedeihen scheint. Tatsächlich sehen wir die putzigen Vögel an einer Süsswasserlagune stehen und sich lauthals miteinander streiten. Sie watscheln unbeholfen hin und her, kühlen sich im Wasser ab und putzen ihr Gefieder. Wir können uns fast nicht sattsehen und bleiben einen halben Tage bei ihnen. Ein Besuch von zwei Tieren in etwa drei Meter Entfernung ist definitiv der Höhepunkt für uns!
In Porvenir melden wir uns für die Donnerstagmorgen-Fähre ans Festland bei Punta Arenas an und machen einige Besorgungen im Städtchen. Beim Leuchtturm finden wir einen guten Platz für die Nacht direkt an der Magellanstrasse. Wir installieren uns, holen Tisch und Stühle hervor, schenken das Bier ein und setzen uns hin. Kaum abgesessen schwimmen direkt vor uns Delfine in den Sonnenuntergang. Wo möchte man während eines solchen Moments lieber sein?
Atlantikküste
Seen und Berge
Chile
Hauptstadt
Santiago
Bevölkerung (Dichte)
16'746'491 (22 pro km2)
Fläche (im Vergleich zur Schweiz)
756'950 km2 (18 mal grösser)
Erhebungen
Höchster Punkt: Nevado Ojos del Salado 6'880 m
Tiefster Punkt: Pacific Ocean 0 m
Strassen
77,764 km
(geteert: 18,119 km; nicht geteert: 59,645 km)
Religion
Katholiken 70%, Evangelikale 15.1%, Zeugen Jehovas 1.1%, andere Christen 1%, andere 4.6%, keine 8.3%
Sprache
Spanisch
Lebenserwartung
78
AIDS Rate
0.4%
Untergewichtige Kinder unter 5 Jahren
0.5%
Bevölkerung unter Armutsgrenze
15.1%
Arbeitslosigkeit
6.4%
Lese- und Schreibfähig
95.7%
Währung
Chilenischer Peso
1 CHF = 570.13 CLP (Stand: März 2015)
1 CHF = 0.00 CLP (aktuell)
durchschnittliches Jahreseinkommen
$18'400
Militärausgaben (% des BIP)
2.7%