Lagunen und Salzseen
Kolonialstädte und Minen
07.04.2015 - Auf der abgeschiedenen Lagunenroute und dem einsamen Salar de Uyuni lernen wir einen ersten Teil von Bolivien kennen. Es sind wilde und rauhe Landschaften, unendlich faszinierend.
Mit dem Grenzübertritt nach Bolivien fängt für uns ein neues Kapitel der Reise an. Nach genau fünf Monaten im gut entwickelten Südamerika – Uruguay, Argentinien, Chile – verabschieden wir uns vorübergehend von den Annehmlichkeiten der europäisch geprägten Länder. Denn Bolivien ist anders, das haben uns zumindest alle versichert. Keine Supermärkte, kein einfaches Tanken mehr, Abgeschiedenheit und schlechte Strassen. Wir sind gespannt und freuen uns darauf, denn das "einfache" Reisen wird irgendwann auch mal etwas langweilig.
Der Grenzübertritt nach Bolivien bei Ollagüe läuft unerwartet rasch und problemlos ab. Nur eine Haftpflichtversicherung können wir nicht abschliessen. Die Grenzer sind notorisch unfreundlich, aber was erwarten wir soweit abseits der Zivilisation. Nach 40 Minuten sind Aus- und Einreise kostenfrei erledigt. Ohne Nahrungsmittelkontrolle. Eine Ortschaft gibt es auf bolivianischer Seite nicht, auch keinen Bankomaten.
Vom Grenzübergang fahren wir auf einer guten Piste in ein farbiges Lavafeld mit wunderbaren Gesteinsformationen. Auf gut 4'000 Metern über Meer finden wir unseren ersten Übernachtungsplatz im neuen Land. Am nächsten Tag geht es auf die berüchtigte und viel gepriesene Lagunenroute. Farbige Lagunen, Vulkane und schlechte Pisten in absoluter Einsamkeit sollen uns erwarten.
Wir sind früh dran und entdecken gleich als erstes die faszinierenden, immergrünen Yareta Pflanzen, die sich wundersam an Steine schmiegen. Winzige Blätter, kompakt aneinander gepresst geben ihr die knallige Farbe. Offenbar können die Pflanzen bis zu 3'000 Jahre alt werden und wachsen lediglich in Höhen zwischen 3'200 und 4'500 Metern über Meer. Die sind echt hart im Nehmen!
Gleich darauf gelangen wir zu einer ersten Lagune. So früh am Morgen ist sie fast vollständig mit einer feinen Eisschicht bedeckt. Kein Wunder, es ist nachts wirklich bitterkalt. Jedenfalls für uns. Dann erreichen wir eine grössere Piste und ein erstes Hotel an einer Flamingo-gesäumten Lagune. Entlang von drei weiteren Lagunen, an der Route aufgereiht wie eine Perlenkette, kommen uns nun scharenweise Tour-Autos entgegen. Toyota Landcruiser mit viel Dachlast, Zusatzkanister und beladen mit zumeist europäischen Touristen. So unvermittelt wie sie auftauchten, sind sie auch wieder verschwunden. Es scheinen alle dieselbe Route zu derselben Zeit zu fahren. Danach haben wir wieder unsere Ruhe. Wir gelangen immer mehr in die Wüste und suchen uns unseren Weg unter zahlreichen wellblechigen Pisten. Die Natur ist faszinierend in dieser Ecke. Immer über 4'000 Metern über Meer und abgeschattet von Regen aus Osten sehr trocken und unwirtlich.
Im Tagesverlauf nimmt der Wind immer mehr zu. Schliesslich erreicht er fast Sturmstärken, als wir die tiefrot gefärbte Laguna Colorada erreichen. Tausende pinke Flamingos suchen im salzigen Wasser nach Nahrung und werden vom Wind zerzaust. Entlang der Lagune ändert sich die Farbe von rot über orange nach violett. Am Südende dann treffen wir hunderte junger und alter Flamingos, die an einem Frischwasserbach trinken und sich dabei überhaupt nicht stören lassen. Im Gegenwind testen die Jungtiere ihre Flügel und versuchen abzuheben. Es ist noch viel Training nötig, bis sie eine grössere Flugreise antreten können.
Am nächsten Morgen früh fahren wir zum geothermalen Feld Sol de Mañana. Da bereits eine Stunde vor unserer Abfahrt und in völliger Dunkelheit über 20 Tour-Autos den Berg hinauf gerast sind, erahnen wir Schlimmes für unser Ankommen. Weit gefehlt. Die dichte Wolkendecke vor Sonnenaufgang hat wohl viele Touren dazu bewogen, gleich zu den heissen Quellen weiterzufahren. Auf jeden Fall haben wir die spektakulären Dampfer und blubbernden Teiche auf fast 5'000 Metern über Meer ganz für uns alleine. Wir geniessen es und machen Fotos und Filme bis die Sensoren glühen. Als Abstecher fahren wir zu einer Borsäuremine hoch, die auf über 5'000 Metern über Meer liegt. Wir schaffen es also tatsächlich mit unserer Diesel-Karre ohne Turbo in solche Höhen. Allerdings mit grosser Rauchwolke hinter uns. Kein Wunder dass die Dieselverbrennung nicht mehr ganz vollständig ist, ist der Atmosphärendruck auf dieser Höhe doch lediglich gut halb so gross wie auf Meeresnivieau!
Durch weitere Wüsten und Berglandschaften und an mehreren farbigen Lagunen entlang fahren wir fast bis zur chilenischen Grenze beim Paso de Jama. Danach folgen wir einer wenig befahrenen Route nach Norden, die uns als erstes durch eine stillgelegte Schwefelmine einen Pass hinauf führt. Mit dem Rückenwind wieder eine zeitraubende Angelegenheit, da wir mehrmals anhalten und den Motor auskühlen lassen müssen. Aber auch das schaffen wir. Die weitere Route nach Uyuni wird immer besiedelter und die Lagunen werden weniger zahlreich. Nach einer weiteren Übernachtung über 4'000 Meter über Meer kommen wir gut voran und erreichen Uyuni am Karfreitag kurz nach dem Mittag. Die Erledigungen nehmen mehr Zeit in Anspruch als wir geplant haben. Die vielen Minimarkets haben allesamt keine Kühlregale. Hätten sie welche gehabt, die Kühlkette wäre wohl nich nach unserem Gusto abgelaufen. Ab jetzt gibt es ein anderes Frühstück - ein kühlregalunabhängiges.
Erst um 17 Uhr kommen wir mit vollen Tanks aus der staubigen, leblosen Stadt heraus. Gerade rechtzeitig um auf den endlosen weissen Flächen des Salar de Uyuni in den Sonnenuntergang zu fahren. Ein weiteres, spektakuläres Erlebnis im wilden, einsamen Bolivien. Noch bevor sich die Sonne unter den Horizont senkt, geht gegenüber ein fast voller Mond auf. Unter unseren Füssen knirscht das schneeweisse Salz wie Eis und Schnee. Regelmässige Figuren im Untergrund machen die Szenerie unwirklich und wunderschön. Was für ein Ankommen an einem unsere Highlights der gesamten Reise.
Im Dunkeln fahren wir quer über den Salar weitere unendliche, absuolut ebene 80 km zur Isla Pescador. Wir bleiben für die Nacht weit von der Insel entfernt, da wir fürchten im weichen Salz einzubrechen und uns festzufahren. Es ist ein guter Entscheid, wie zahlreiche Spuren am nächsten Tag offenbaren. Nicht nur einer ist hier festgesteckt. Wieder einmal schüttelt uns ein heftiger Wind der ersten Hälfte der Nacht kräftig durch. Aber das tut der Faszination für diesen Ort keinen Abbruch.
Das Erwachen in der Salzwüste ist faszinierend. Bei gleissendem Sonnenschein, die Augen zu kleinen Schlitzen verengt, steigen wir aus dem Auto und schauen in die weite Ferne: Nichts als weiss und blau, kein Laut, kein Geräusch, nichts. Und doch wachsen auf der Insel grosse Kakteen, kleine Büsche, und es leben hier Vizcachas, Schmetterlinge und andere Insekten. Woher diese Tiere und Pflanzen wohl das lebenswichtige Wasser haben?
Ein Ausflug bringt uns in winzige Dörfchen am Rande des Salzsees um den Vulkan Tanupa. Die Menschen leben von Lama-Zucht und Quinoa-Plantagen, die zur Zeit zur Ernte stehen. Noch kann man kein frisches Quinoa kaufen, erst im Juni ist das Korn soweit verarbeitet, dass es auf den Markt kommt. In Chantani besuchen wir ein kleines Museum und einen Kunstgarten. Der Eigentümer erklärt uns geduldig die kleine, chaotische Sammlung aus ausgestopften Tieren, Grabbeigaben, Musikinstrumenten und allerlei Gebrauchsgegenständen der lokalen Gemeinden. Leider wandern immer mehr Menschen in die Städte ab, da die Landwirtschaft in dieser Region sehr hart ist. Ein Phänomen, mit dem Bolivien zu kämpfen hat. So stehen denn auch unzählige Häuser in der Umgebung leer, die Felder bleiben unbewirtschaftet, die Weiden überwuchern und die sorgfältig aufgeschichteten Steinmauern zerfallen nach und nach. Eine erntende Bauersfrau, die Backen mit Koka-Blättern gefüllt, die sich nach einem längeren Gespräch bereit erklärt, fotografiert zu werden, wünscht danach das Bild ausgedruckt. Sie bedankt sich tausend Mal dafür – sie hätte kein einziges Foto von sich selber.
Nach diesem kleinen Einblick in das sehr einfache, ländliche Leben auf dem Altiplano in Bolivien fahren wir zurück auf die unendlichen weissen, einsamen Flächen des Salars. Wir folgen stur dem Richtungspfeil auf dem Navigationsgerät und sehen im Zeitlupentempo die Inseln vor uns grösser und grösser werden. Die Zeit scheint still zu stehen – und das bei einer Geschwindigkeit von 90 km/h.
Die Gegend fasziniert uns so sehr, dass wir den Ostersonntag auf unserer kleinen, namenlosen Insel verbringen. An einem windgeschützten Ort schlagen wir unser Büro auf und arbeiten draussen mit wunderbarer Aussicht. Ein Platz zum sich verlieben. Zur Feier des Tages kochen wir uns Älplermaccheroni. Das Verstecken von farbigen Eiern lassen wir bleiben. Das wäre ja zu einfach auf diesen weissen Flächen um uns herum. Bei einem kleinen Spaziergang auf unserer Insel entdecken wir in einer Höhle Knochen und Stoffresten. Vermutlich handelt es sich um ein altes Grab der ansässigen Bevölkerung. Wir fragen uns, wie die Menschen damals hierher gelangt sind.
Am Ostermontag schliesslich fahren wir zurück nach Uyuni, wo wir das Auto von einer zentimeterdicken Salzschicht, die sich über die letzten Tage angesammelt hat, befreien. Am Abend geraten wir in die Feierlichkeiten zum Quinoa-Fest. Richtig ausgelassene Stimmung mag nicht aufkommen. Vielleicht dann morgen früh beim gratis Frühstück mit Quinoa-Spezialitäten aus der Region...
Kolonialstädte und Minen
Bolivien
Hauptstadt
Sucre
Bevölkerung (Dichte)
9'947'418 (9 pro km2)
Fläche (im Vergleich zur Schweiz)
1'098'580 km2 (27 mal grösser)
Erhebungen
Höchster Punkt: Nevado Sajama 6'542 m
Tiefster Punkt: Rio Paraguay 90 m
Strassen
80,488 km
(geteert: 11,993 km; nicht geteert: 68,495 km)
Religion
Katholiken 95%, Protestanten 5%
Sprache
Spanisch, Quechua, Aymara
Lebenserwartung
68
AIDS Rate
0.2%
Untergewichtige Kinder unter 5 Jahren
4.3%
Bevölkerung unter Armutsgrenze
51.3%
Arbeitslosigkeit
7.5%
Lese- und Schreibfähig
86.7%
Währung
Boliviano
1 CHF = 6.07 BOB (Stand: April 2015)
1 CHF = 0.00 BOB (aktuell)
durchschnittliches Jahreseinkommen
$5'000
Militärausgaben (% des BIP)
1.3%