Naher Osten
Unsere Reise führt uns durch den Balkan in die Türkei, den Iran, die Vereinigten Arabischen Emiraten und in den Oman. Die restlichen Länder im Nahen Osten sind zur Zeit aufgrund der politischen Situation (Syrien, Libanon, Irak, Jemen), aus visatechnischen Gründen (Saudi-Arabien) oder wegen des Transits durch eines dieser Länder (Kuwait, Bahrain, Katar, Jordanien, Israel) für uns nicht bereisbar.
Mit Abstand am beeindruckendsten ist die Gastfreundschaft in diesen Ländern. Wir haben im Vorfeld unserer Reise viel darüber gehört und gelesen. Aber erst nachdem man es selber erlebt hat, weiss man, was echte Gastfreundschaft ist. Unzählige Male werden wir auf der Strasse ansgesprochen, woher wir kämen, ob uns geholfen werden könne oder ob wir einen Tee wollen. Nachdem wir jeweils dreimal dankend ablehnen, die Einladung aber immer noch steht, sagen wir zu und lassen uns von der fremden Kultur überraschen. Nebst den grossen kulturellen und religiösen Unterschieden faszinieren uns viele alltägliche Kleinigkeiten, die uns unsere westliche Kultur hinterfragen lassen: Warum lösen wir den Zucker im Tee auf und lassen ihn nicht auf der Zunge mit dem Tee vermischen? Warum sitzen wir zum Essen um den Tisch und essen mit Messer und Gabel, obwohl wir bequeme Kissen am Boden und geschickte Hände haben? Warum reinigen wir unseren Allerwertesten mit Papier anstatt Wasser?
Sehr postitiv erleben wir die Sicherheit in den muslimisch geprägten Ländern. Lars unbewacht stehen lassen, Geld in offenen Hosentaschen herumtragen oder irgendwo wild zu campieren - alles problemlos möglich. Der Preis, den wir dafür zahlen, sind bestimmt auch die zahlreichen, manchmal etwas unangenehmen Polizeikontrollen entlang der Strassen. Auch gebettelt wird kaum, obwohl die Leute vermutlich relativ schnell erkennen, dass es bei uns etwas zu holen gäbe. Als Camper, der im Auto übernachtet, wird man allerdings bemitleidet, da man kein Geld für das Hotel zu haben scheint.
Daneben gibt es auch die für uns unangenehmen, weil ungewohnten Seiten: Die Frau ist weniger wert als der Mann. In den Emiraten führt dies soweit, dass vor Gericht zwei weibliche Zeugenaussagen gleichwertig mit einer männlichen sind. Im Alltag wird die Frau bei einem Gespräch kaum angesprochen, beim Grüssen wird ihr nicht die Hand gereicht und vor allem hat sie sich (zumindest im Iran) zu verschleiern. Dass während der täglich fünf, zeitlich genau festgelegten Gebeten, die Arbeit für einige Minuten niedergelegt wird, erfahren wir bei verschiedenen Ämtern. Da ist Verständnis und Geduld gefragt. Geduld, ein Gut, welches Allah reichlich schuf. Das ist gut so. Leider ist davon auf der Strasse nichts zu spüren. Da gelten scheinbar andere Gesetze.
Der Stellenwert der Religion scheint ein anderer zu sein, als bei uns im Westen. Vor den Moscheen ist zu Gebetszeiten Hochbetrieb. Väter nehmen ihre Kinder mit und auch überraschend viele Jugendliche zeigen sich zum Gebet. Da wäre jeder Pfarrer neidisch.
Besonders im Iran sehen wir, wie sich die westliche Medien-Berichterstattung und die Situation vor Ort unterscheiden: In den Medien liest man vom angeblich schurkenhaften Atomprogramm des Iran und von dessen bösen Absichten. Vor Ort zeigt sich ein Volk, das Frieden haben möchte, das Menschen aus der ganzen Welt willkommen heisst, auch Amerikaner. Das Volk und die Regierung könnten unterschiedlicher nicht sein. Die Regierung nimmt Sanktionen in Kauf, das Volk leidet darunter, besonders unter der jahrelangen Inflation. Ein trauriges Bild - hoffentlich ändert sich die Situation nach den vielversprechenden Gesprächen in Genf.
Der Reisealltag gestaltet sich in den arabischen Ländern etwas schwieriger. Im Islam herrscht die Meinung, dass nur die Ärmsten, Obdachlosen draussen schlafen. Campieren in unserem Sinne gibt es nicht. Selbstredend gibt es auch keine Infrastruktur für Overlander wie uns. Den letzten Campground haben wir in Kappadokien, im Herzen der Türkei, gesehen. Öffentliche Duschen existieren nicht. Die Einkaufsmöglichkeiten unterscheiden sich zumindest im Iran und in den ländlichen Gebieten des Oman stark von unseren Gewohnheiten. Einkaufszentren suchen wir vergebens. Nebst dem Tante-Emma-Lädeli und dem Souq (Markt) gibt es keine Alternativen. Die Frische der Produkte im Lädeli lässt häufig zu wünschen übrig, insbesondere bei den eher westlichen Produkten, welche von den Einheimischen nicht gekauft werden, unsere Herzen jedoch höher schlagen lassen. Alkohol sucht man vergebens.
Wir freuen uns vorerst auf das christliche, südliche Afrika, auf dessen Landschaften und Tierwelt. Aber die Gastfreundschaft des Nahen Ostens werden wir sicherlich vermissen. Hoffentlich haben wir sie nicht zum letzten Mal erlebt. Inshallah.